#gedankengänge zum Lernen

Lesedauer: 3 Minuten

Persönlich verstehe ich mich als Jägerin und Sammlerin von Wissen. Ich trage Wissen zusammen, ich sehe es, höre es, lese es, verarbeite es, probiere aus, spüre es und irgendwann komme ich zu einem Verständnis dessen, was an mich herangetragen wurde und dann gebe ich mein Wissen weiter.

Herangetragen werden Wissen und Informationen auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Manchmal ist es ein gezieltes Suchen nach einer Antwort, manchmal eine Beobachtung, manchmal kommt einem erst hinterher die Frage zu der gerade erworbenen Antwort.

Jeder Mensch lernt verschieden. Ich beispielsweise lerne autodidaktisch am besten. Dennoch gibt es Forschung, die relativ eindeutig ist: je mehr unserer Sinne involviert sind, desto eher bleibt uns das Erlernte im Gedächtnis.

Gleichzeitig ist die Aufnahmefähigkeit des Menschen eingeschränkt. Es gibt die berühmten sieben Dinge, die ein Mensch maximal gleichzeitig aufnehmen und sich merken kann. Sieben Dinge gleichzeitig: das klingt zum einen ganz schön viel, um es gleichzeitig zu machen, zum anderen ganz schön wenig, wenn wir betrachten wie viel Informationen ständig auf uns einprasseln.

Was bedeutet das für mich als Lehrender?

Meine Aufgabe ist es, Informationen so zu portionieren, dass sie aufnehmbar und erfahrbar werden.

Als Reiter würde ich sagen, dass es schon zu nahezu jedem Thema Literatur gibt, dass alle Informationen schon irgendwo stehen, aber wie viel können wir davon wirklich aufnehmen? Und noch wichtiger, wie viel können wir verarbeiten, um sie dann zu verstehen?

Mein Aha-Erlebnis mit den FN-Richtlinien

Ich möchte euch mitnehmen, in einen kleinen Diskurs, den ich vor etwa 5 Jahren mit zwei meiner Schülerinnen hatte. Beide ritten schon über 30 Jahre, waren begeistert von meinem Unterricht und völlig entsetzt als ich sagte, dass ich mich in sehr vielen Dingen auf die Richtlinien der FN berufe. Nein, also mit der FN wollten sie nichts zu tun haben. Sie hatten verschnürte Pferde hinter der Senkrechten im Kopf, wie sie auf Turnieren und in diversen Ausbildungsbetrieben zu sehen sind. Als ich sie dann fragte, ob sie sich mal die Richtlinien für Reiten und Fahren durchgelesen hätten, verneinten beide.

Verständlich, denn Richtlinien klingt nach Gesetzestext, nach trockener, angestaubter Lektüre und in Teilen haben sie da auch recht, denn die Richtlinien beschreiben einen Sollzustand. Es findet sich darin keine praktische Anleitung mit Übungen, sodass das enthaltene Wissen erfahrbar und damit zugänglich wird. Aber macht es das enthaltene Wissen dadurch weniger wertvoll?

Ich nahm also zur nächsten Unterrichtseinheit mit den beiden meine Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1 mit und kopierte zuvor zwei oder drei Doppelseiten daraus. Wir besprachen Satz für Satz, was denn eigentlich in diesen Richtlinien steht. Zu jedem Satz ergänzten wir eine Erfahrung der beiden oder machten eine praktische Übung.

Nach etwa 90min offenem Diskus waren wir so durch gerade einmal vier Seiten Richtlinien gekommen, aber die beiden hatten nun eine Vorstellung, was sie da gerade gelesen hatten und die Einstellung zu den Richtlinien der FN hatte sich komplett gedreht, denn wir fanden kaum einen Satz, dem wir nicht zustimmten. Auch ich hatte viel gelernt, nämlich dass die Richtlinien zwar wertvolles Wissen enthielten, dieses aber unglaublich schwer zugänglich ist. Man braucht quasi einen Dolmetscher, der dieses theoretische Werk in die Praxis übersetzt.

#gedankengänge

Und so geht es uns mit sehr vielen Werken der klassischen Reiterei: wir lesen, aber wir begreifen nicht, also vergessen wir wieder. Begreifen heißt aber, ich muss etwas in die Hand nehmen, ich muss etwas greifen können. Das heißt, meine Arbeit ist es, zu übersetzen und für ein Erlebnis mit diesem Wissen zu sorgen.

In meiner lose erscheinenden Blog-Reihe #gedankengänge möchte ich dir immer wieder ein kleines Stückchen Wissen weitergeben: Ein kleiner Schnipsel an Information, praktisch erklärt und erfahrbar gemacht. Meist werden wir uns dabei mit einem Zitat, Begriff oder Ausschnitt eines Textes vertraut machen.

Ich freue mich auf viele erhellende #gedankengänge und den Austausch mit euch.

Bis bald!
Vanessa

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