Auf der Heeresdienstvorschrift Nr. 12 aus dem Jahre 1937 bauen unsere heutigen FN-Richtlinien auf. Werfen wir also einen kleinen Blick ins Original.
In den einzelnen Reitstunden müssen sich die Übungen in sachgemäßer Weise folgen und vom Leichteren zum Schwereren fortschreiten.
H.Dv.12, 2. Der Reitlehrer
Zum einen wird hier von Übungen gesprochen, die in sachgemäßer Weise erfolgen müssen. Das heißt, dass eine Übung nicht nur ungefähr ausgeführt wird, sondern in einer der Sache angemessenen Weise. Wenn ich also die Absicht habe mein Pferd zu gymnastizieren, dann sollte ich meinen Zirkel rund reiten und nicht als Osterei. Ich sollte jeder (vermeintlich noch so einfachen) Übung die volle Aufmerksamkeit schenken und diese mit Konzentration angehen.
Zum anderen wird der Aufbau einer Reiteinheit vom Leichteren zum Schwereren hin thematisiert. Wenn wir also zum Beispiel Übergänge Halt-Trab-Halt üben möchten, dann können wir bereits im Schritt prüfen, ob unsere halben Paraden durchgehen und unsere treibenden Hilfen ankommen. Wenn dies der Fall ist, dann kann man Schritt-Halt-Schritt-Übergänge machen oder auch Schritt-Trab-Schritt, oder auch Übergänge „antäuschen“ um die Reaktionsschnelligkeit des Pferdes zu schulen. Wenn dies alles klappt, dann können wir uns an die schweren Übergänge wagen.
Überraschend auftretende Schwierigkeiten in der Dressur werden den Reitlehrer öfter veranlassen, von der geplanten Einteilung der Reitstunde bewusst abzuweichen.
H.Dv.12, 2. Der Reitlehrer
Hier ist deutlich zu erkennen, dass die H.Dv. 12 aus der Praxis kommt, denn typischerweise kommt unser Pferd oder auch wir als Reiter nicht tipptopp durchlässig zur Reitstunde. Wir machen uns also auf den Weg vom Leichteren zum Schwereren und irgendwo auf dem Weg stellen wir fest: klappt nicht oder nicht gut genug. Dann ist es Zeit an dieser Stelle genauer hinzuschauen und zu untersuchen woran es liegt.
In unserem Beispiel von oben stellen wir uns jetzt ein Pferd vor, dass beim Anhalten aus dem Schritt gegen den Zügel geht. Wir stellen fest, es möchte die Hinterbeine nicht beugen und stemmt sich mit dem Hinterbein gegen die Hand. Also fangen wir mit leichten Biegeübungen an, dann verkürzen wir die Schritte des Pferdes lediglich über Gewicht und Bügeltritte. Wir üben dies immer wieder in kurzen Reprisen. Hat unser Pferd sich nun an das leichte Versammeln gewöhnt, sind seine Hinterbeine durchlässiger geworden, dann können wir den Übergang erneut versuchen.
Eine gründliche und deshalb langsam fortschreitende Arbeit ist geboten. Es ist aber falsch, nicht eher weiterzugehen, bevor das Erreichte vollständig allen Ansprüchen genügt. Man muss berücksichtigen, dass die späteren Übungen auch die vorhergehenden verbessern.
H.Dv.12, 2. Der Reitlehrer
An unserem Beispiel ist leicht ersichtlich wie kleinteilig und gründlich diese Arbeit ist. Dennoch ist es wichtig, sich nicht in der Kleinteiligkeit festzubeißen und nach absoluter Perfektion zu streben. Am Anfang genügt die Tendenz in die richtige Richtung. Wir belohnen den richtigen Ansatz des Pferdes und bauen dies dann immer weiter aus.