Im Rückblick vergisst man so viele Dinge, daher möchte ich in den nächsten Wochen und Monaten die Ausbildung meines neuen Pferdes „Mailo“ ein wenig begleiten und dich lieber Leser daran teilhaben lassen. Für mich ist dies auch Neuland, da ich bisher noch kein Pferd von Grund auf begleiten durfte, immer nur phasenweise.
Hi, ich bin der Neue hier!
Aktuell passieren so viele Dinge und Mailo lernt alleine durch seinen neuen Stall schon ganz viele Dinge kennen. Mailo stand zuvor tagsüber auf der Wiese und nachts in der Box, nun muss er sich erst einmal in seiner neuen Haltungsform einleben. Denn er steht nun in einem Paddocktrail und das bietet jede Menge neue Dinge für ihn:
- Gemischte Herde mit unterschiedlichsten Pferderassen
- Fressen aus Heunetzen, dafür immer Zugang zu Heu
- Nachts und bei jedem Wetter draußen sein können
- Viel mehr laufen auf neuen Untergründen
- Die Straße nebenan mit den vielen Geräuschen
- Reitplatz und der normale Betrieb darauf
- und vieles mehr…
Für mich ist es super, dass er nun viele Außenreize für ihn normal werden. Damit lernt er auch gleich, dass diese nun zu seinem Leben dazugehören und auch während der Arbeit um ihn herum sein werden. Seine Hufe hingegen werden gerade vor große Herausforderungen gestellt. Vorher nur Wiese und Stroh, jetzt unglaublich trockene, harte Wiese, Sand und viel mehr Bewegung. Aktuell haben wir uns daher dazu entschlossen, ihn vorne vorübergehend zu beschlagen. Mal schauen wie es ihm damit geht.
Auch in der Herde gibt es Herausforderungen: ranghohe Wallache und manchmal zickige Stuten wirken auf den Jungspund anfangs noch sehr einschüchternd, aber nun findet er sich immer mehr ein und fängt an sich freier in der Herde zu bewegen, statt immer nur „daneben“ zu stehen. Nachdem die Weidesaison nun schon fast zu Ende ist, weil wegen der Trockenheit quasi nichts mehr auf den Wiesen steht, traut er sich immer mehr an die Heuraufen, auch wenn ranghohe Pferde dort stehen und kommt hier immer besser mit den Heunetzen zurecht.
Aha und das ist also diese „Arbeit“
Natürlich habe ich ihn nicht nur in der Herde stehen lassen. Stück für Stück beginnen wir ganz gemütlich mit Arbeiten. Aber was heißt das denn nun genau? Am Anfang ist vieles noch Arbeit, was später zur Selbstverständlichkeit wird.
In den ersten 2-3 Wochen ging es da hauptsächlich um sich Führen lassen ohne Ziehen, mich nicht umrennen, Abstand halten zum Mensch (denn ich habe ein Hosentaschenpferd) und nicht in alles rein beißen, was einem begegnet. Auf dem Trail über verschiedene Untergründe oder auch Hindernisse laufen, auch wenn man sich eigentlich nicht traut, waren erste Herausforderungen. Auch die Umgebung kennenlernen wie Putzplatz und Reitplatz waren Schritte in der Anfangszeit.
Insgesamt war es ein sanftes Kennenlernen. So konnte Mailo zum Beispiel schon sehr gut Hufe geben und sich Putzen lassen, aber am Putzplatz stehenbleiben ist auch jetzt noch ein bisschen schwierig. Auch vor der Fliegenmaske (und dem lauten Geräusch des Klettverschluss) hatte er überhaupt keine Angst, auch wenn ich nicht weiß, ob er jemals eine Fliegenmaske getragen hat. Vielmehr stand zur Debatte, ob man Fliegenmasken essen kann…
Dann kam die nächste Phase, in der sich Mailo erstmal durch einen Unfall in seiner Eingliederungsbox am Hinterbein verletzte. Nun stand ich also mit einem jungen Pferd da, das unglaublich gerne arbeiten würde und das auch deutlich anzeigt, das aber gleichzeitig eigentlich komplette Boxenruhe hat. Also schwenkten wir unser Programm um auf Gelassenheitstraining bzw. Guck-Mal-Was-Ich-Dir-Mitgebracht-Habe meist gefolgt von einem „Nein, das kann man nicht essen“ oder einem „Ja das ist egal, kau drauf rum“.
Also lernte Mailo nun die dicke Satteldecke einer Stute kennen, hatte eine Pylone als Hut auf dem Kopf, lies sich mit Poolnudeln den Bauch kraulen und mit einem Plastiktüten-Stick um die Ohren wedeln, hatte zum ersten Mal einen Kappzaum auf und machte damit vorbildliche Biegeübungen und biss zu guter Letzt beherzt in den Voltigiergurt. Immerhin merkte man ihm an, dass er deutlich ruhiger und entspannter war, nachdem er so gearbeitet hatte.
Nachdem der Doc ihn nach guten 2 Wochen wieder in die Freiheit lies, stand nun erstmal Herdenintegration an. In der ersten Woche arbeitete ich nur ganz wenig mit ihm und zeigte ihm eher mal noch ein paar Dinge, wie das so geht in der Herde. Stück für Stück wurde er aber selbstständiger und hatte nun wieder mehr Kopf für die Arbeit mit dem Menschen.
Im nun folgenden Monat übten wir nun Führen zwischen den Händen als ersten Ansatz des Longierens, aber noch auf Knotenhalfter. Wir spielten erste Parelli-Spiele und Mailo lernte sehr schnell. Hatte ich zunächst Bedenken ihm so früh ein seitwärts beizubringen, zeigte er mir schnell, dass er das gut kann und es hat sich inzwischen zu einer seiner Paradelektionen entwickelt.
Ich habe gelernt, dass Mailo sehr fein gearbeitet werden möchte und dass er mit Lob sich unglaublich viel in kurzer Zeit merkt. Zum Beispiel fiel ihm am Anfang das Porcupine Game der Vorhand schwer. Er stemmte zunächst die Füße gegen mich in den Sand und schien mir zu sagen: „Auf gar keinen Fall verschiebe ich mein Vorhand auch nur einen Zentimeter.“ Ich erkannte aber sofort, dass es keine böse Absicht war, sondern er kam einfach nicht weg und hatte das Gefühl umzufallen, wenn er das Bein anhebt. Also brachte ich ihm bei, das Gewicht zunächst auf die Hinterhand zu verlagern und dann die Vorhand zur Seite zu verschieben.
Bei den ersten Malen war er selbst überrascht, dass ihm das gelang und ich lobte ihm überschwänglich dafür. Am nächsten Tag probierte ich es auf den gleichen Weg wieder und es klappte auf Anhieb, wieder folgte ehrliche Freude meinerseits und Lob für ihn. Am dritten Tag bot er es von sich aus an, als ich von ihm ein Weichen der Vorhand verlangte und im Moment ist es seine Lektion, die er immer auspackt, wenn er nicht weiß, was er tun soll und dann mal irgendwas anbieten möchte, um zu gefallen. Er sieht dann unglaublich süß aus, wenn er die Hufe voreinander schiebt wie eine Ballerina.
Eines noch: ich habe verzichtet mit Futterlob mit ihm zu arbeiten. Da ist er leider Pony- bzw. Kaltblüter-like und sobald es etwas zu futtern gibt, schaltet das Gehirn – zack – einfach aus. Außerdem ist er zu Beginn eh an jeder Tasche, jedem Schnürsenkel und jedem Reißverschluss gewesen, daher möchte ich nicht, dass er durch was Essbares darin bestärkt wird. Später werde ich mir Futterlob für einige wenige Momente aufheben als Verstärkung, wenngleich ich dann direkt danach die Arbeit beende und es gut sein lasse für diesen Tag.
Gleichzeitig habe ich auch gelernt, dass er wirklich einen kleinen Kulturschock hat und ich immer wieder daran denken muss, dass er sich beispielsweise in der Dämmerung außerhalb seiner Herde noch fürchtet, dass ihn große LKWs oder Traktoren beunruhigen und dass außerhalb von Trail und Reitplätzen alles noch fremd für ihn ist. Aber das wird sich in kleinen Schritten bald ändern.
Und was kommt als nächstes?
In den nächsten drei Monaten kommen vermutlich drei Dinge auf Mailo zu: Die sieben Spiele von Parelli werden wir weiter verfeinern und festigen. Dann werden wir auch beginnen mit dem Spazieren gehen. Etwas, das er noch gar nicht kennt und mit dem er sich aktuell noch schwer tut. Hier werden wir neben dem reinen Überleben in der Wildnis auch ein wenig das Führen aus verschiedenen Positionen üben und festigen. Und schließlich werden wir hoffentlich richtig anfangen können mit einer auch körperlichen Belastung in der Longenarbeit.
All diese drei Themen werden abwechslungsreich seine Wochen füllen und dann geht’s demnächst auch noch auf die Waage und zum Kontrolltermin beim Pferdezahnarzt.
Ich bin gespannt, was der „Dicke“ mir die nächsten Wochen alles beibringt 😉